Die beeindruckende Biografie dieser mutigen Frau gibt besondere Einblicke in ihr Leben.
Helene Christine Wilhelmine Siefkes, geboren am 4. Januar 1890 als Tochter des Landwirts Siegfried Siefkes in Leer, gehörte mit zu den interessantesten Persönlichkeiten der Stadt Leer des 20. Jahrhunderts.
Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hat sie als Lehrerin viel von der Armut insbesondere der Arbeiterkinder gesehen und sich politisch den Sozialdemokraten angeschlossen. Obwohl zu der Zeit noch ganz unüblich, wurde sie, eine Frau, 1928 ins Stadtparlament gewählt. Gemeinsam mit dem Lehrer Hermann Tempel, der in den Reichstag gewählt worden war, und dem Gewerkschafter und Fraktionsführer der Leeraner SPD, Louis Thelemann, mit denen sie eine enge Freundschaft verband, arbeitete sie am „Volksboten“, dem Presseorgan der Sozialdemokraten, mit.
Kinder und ihre Heimatsprache lagen Wilhelmine Siefkes besonders am Herzen. Als Lehrerin und während ihrer aktiven Mitarbeit im Arbeiter-Jugendheim der Sozialdemokraten hatte sie zu Beginn der 30er Jahre gespürt, dass ihre Übertragungen von Märchen und Sagen ins Plattdeutsche die Kinder direkter erreichten als die Originalversionen. Sie liebte es, wenn beim Erzählen dieser Geschichten die Augen der Kinder aufleuchteten und ihre Phantasie durch sie beflügelt wurde.
Parallel dazu schrieb Wilhelmine Siefkes kleinere Geschichten über „Hinni“, ihrer späteren Romanfigur KEERLKE. In ihnen versuchte sie, die unendliche Armut und Freudlosigkeit im Arbeitermilieu zur Zeit der großen Arbeitslosigkeit nachzuzeichnen.
Ihre wichtigen Wirkungsfelder – Jugendheim, Schule, Volksbote, Schriftstellerei, Politik – wurden ihr jäh genommen, wie die Nationalsozialisten an die Regierung kamen und ihren totalitären Machtapparat ausbauten:
Das Jugendheim wurde beschlagnahmt und als Hitlerjugendheim weitergeführt, Wilhelmine Siefkes wurde im Zuge der neuen Bestimmungen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums im Juli 1933 offiziell aus dem Schuldienst entlassen, weil sie sich geweigert hatte, eine Ergebenheitserklärung an den „Führer“ zu unterschreiben, der Volksbote wurde bereits Ende Februar 1933 verboten. Darüber hinaus erhielt sie ein generelles Schreibverbot.
Dennoch vollendete die Schriftstellerin im Jahr 1939 unter dem Pseudonym Wilmke Anners ihren Roman KEERLKE, wofür sie am 11. Mai 1940 mit dem Johann-Hinrich-Fehrs-Preis ausgezeichnet wurde.
Nach 1945 kehrte Frau Siefkes nicht in den Schuldienst zurück, sondern widmete sich gänzlich ihrer literarischen Arbeit. Über 50 Jahre war sie Mitglied des Vereins für Heimatschutz und Heimatgeschichte Leer und schrieb für die vereinseigene Heimatbühne eindrucksvolle plattdeutsche Heimatspiele wie: Brörs, Stiefkoppen, Freerk Ulenga.
Als ständige Mitarbeiterin schrieb sie seit 1948 für die Zeitschrift „Ostfriesland“ der „Ostfriesischen Landschaft“ Aurich, unzählige Aufsätze, Gedichte und Essays.
Im Jahr der Gründung (1949) trat sie dem Arbeitskreis für Schriftenreihen an ostfriesischen Volksschulen, der „Leuchtboje“, bei, 1958 dem „Oldenburger Schrieverkring", 1964 dem Verband deutscher Schriftsteller sowie der IG Druck und Papier.
Von 1961-69 war die Leeraner Schriftstellerin Mitglied des Bevensen-Vorstands, 1964-72 Redaktionsmitglied von „Dörp en Stad", der Zeitschrift der „Grunneger Genootschop", Groningen.
1948 erhielt Frau Siefkes den Förderpreis derselben Vereinigung in Verbindung mit dem Ohnsorgtheater für „Brörs, en märchenhaftig Komödjenspil", 1960 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der BRD, 1968 die Ubbo Emmius-Medaille der Ostfriesischen Landschaft für ihr Gesamtwerk, 1970 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Leer für das schriftstellerische Werk, 1970 den Quickborn-Preis für das Gesamtwerk und 1970 wurde sie zum Ehrenmitglied der „Grunneger Genootschop", Groningen, ernannt.
Am 28. August 1984 verstarb die Grande Dame der plattdeutschen Literatur, Wilhelmine Siefkes, die bis zum Schluss ihrer Heimatstadt Leer treu geblieben war.
Arbeitsgebiete: Lyrik, Erzählung, Roman, Drama, Hörspiel, Übertragungen aus dem Westfriesischen und Groningischen.