Extrem gute Bedingungen in der Region
Starker Auftakt für ein neues Veranstaltungsformat: Weit mehr als 100 Besucherinnen und Besucher sind in dieser Woche einer Einladung zum Unternehmerabend in den Festsaal des historischen Rathauses der Stadt Leer gefolgt. Gemeinsame Gastgeber waren der Landkreis Leer und die Stadt Leer, die mit dieser Form den Dialog mit Unternehmen in der Region stärken möchten. Es handelt sich um ein Format, das vom Landkreis Leer gemeinsam mit allen kreisangehörigen Kommunen ins Leben gerufen worden ist – und die „Premiere“ war jetzt in der Stadt Leer. Beim ersten Austausch ging es um das Thema „Energie“. Dazu referierten Birte Ricklefs von der Geschäftsstelle H2-Ostfriesland in Aurich, Helmer Stecker und Jens Rötteken von der Terravent GmbH & Co. KG in Leer und der H2Nord GmbH & Co. KG in Emden sowie der Vorstandsvorsitzende der EWE AG aus Oldenburg, Stefan Dohler.
Die Initiative „H2 Ostfriesland“ besteht aus den Landkreisen Aurich, Leer und Wittmund, der kreisfreien Stadt Emden, der Hochschule Emden/Leer, der IHK für Ostfriesland und Papenburg und der MARIKO GmbH. Die Aufgabe sei es in erster Linie, „Ostfriesland als grüne Wasserstoffregion überregional zu positionieren“, wie Leiterin Birte Ricklefs erklärte. Es gehe darum, Wasserstoffaktivitäten zu koordinieren, beteiligte Unternehmen und Gebietskörperschaften zu vernetzen, Wasserstoffprojekte zu initiieren und zu unterstützen.
Das geförderte Projekt „HyStarter“ mit dem Ziel, eine gemeinschaftliche Wasserstoffstrategie in der Region Ostfriesland zu entwickeln, sei mittlerweile abgeschlossen. Der Ergebnisbericht werde in Kürze veröffentlicht, kündigte Ricklefs an. Jetzt gehe es darum, Projektideen „in eine sichtbare Wasserstoffinfrastruktur umzusetzen“. Bei einer erfolgreichen Bewerbung für die „HyPerformer“-Region würden 20 Millionen Euro für die Umsetzung von Projekten bereitstehen. Auch für ein weiteres Förderprojekt werde derzeit bereits der Antrag geschrieben.
Bereits in der Umsetzung von Wasserstoffprojekten sind das Unternehmen Terravent in Leer sowie das Verbundprojekt H2Nord in Emden, das von der Firma Terravent, der Brons Gruppe und GP Joule gegründet worden ist. „Heute lässt sich noch kein Geld mit Wasserstoff verdienen. Ich glaube aber, dass das in fünf Jahren möglich sein wird. In zehn Jahren bin ich mir sogar sicher“, sagte Terravent-Inhaber Helmer Stecker. Bereits 2024 soll nach seinen Worten in Emden die Wasserstoffproduktion anlaufen. Damit direkt zu tun haben auch die Pläne für das Errichten einer Freiflächenphotovoltaik mit einer Leistung von bis zu 94 Megawatt im Bereich Wybelsumer Polder. „Wir benötigen die Photovoltaik als Stromquelle für unser eigentliches Projekt - für die Erzeugung von grünem Wasserstoff“, sagte Jens Rötteken, Geschäftsführer von H2Nord und von Terravent. Weitere Pläne: Der Emder Hafen solle mit regional erzeugter, grüner Energie - Landstrom - beliefert werden, ebenso wie Elektrolyseure, die unter anderem in der Lage sind, mit aus Windkraft gewonnener Energie Wasserstoff herzustellen. Auch für Rötteken steht fest: „Elektro ist gut, allerdings nicht für den Schwerlastverkehr und für größere Transportwege“. Deshalb plant H2Nord den Aufbau einer grünen Wasserstoffinfrastruktur in Ostfriesland, zu der mehrere Tankstellenstandorte gehören. Auch ein Projekt, für VW einen Verkehr von wasserstoffbetriebenen Lkw zwischen Emden und Braunschweig aufzubauen, sei bereits in der Vorbereitung, verriet Helmer Stecker.
Lobenswert fand der Vorstandsvorsitzende der EWE AG, Stefan Dohler die Aktivitäten von Terravent und H2Nord. Denn die große Problematik bestehe darin, dass gewonnener Windstrom aufgrund eines massiven Überangebotes „abgeregelt“ werden müsse. Die Kosten für die Verbraucher lägen dadurch bei etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr. Durch die Produktion von Wasserstoff ließen sich diese Überschüsse nutzen, so Dohler, der ebenfalls „zu 100 Prozent an Wasserstoff glaubt“.
Was die Energieproduktion betrifft, „haben wir in der Region extrem gute Bedingungen“, sagte Dohler und zitierte Ministerpräsident Stephan Weil, der von einem „Powerhouse“ gesprochen hatte. Man könne „der Ruhrpott von morgen“ werden, „nur sauber“. Wichtig sei, dass „wir auch davon profitieren“. Um das Potenzial zu heben, müssten Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Unternehmen zusammenwirken „und sich unterhaken“, so Dohler. Hindernisse sieht der Vorstandsvorsitzende auch beim Vorankommen mit entsprechenden EWE-Projekten oft in der Bürokratie. Auch er habe seine Erfahrungen gemacht. Alle riefen nach Wasserstoff, doch beim Versuch, ein Vorhaben umzusetzen, sei auch er „schon vor einen Poller gerannt“. „Ein positives Beispiel, das zeigt, wie es anders und vor allem besser gehen kann, sei der aktuelle und zügige Bau der 70 Kilometer langen Pipeline vom LNG-Terminal Wilhelmshaven zu den Erdgasspeichern im Landkreis Leer. „Warum ist das bei Windparks oder Wasserstoffprojekten nicht möglich?“, fragte Dohler.
Das Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nach den Vorträgen bei einem kleinen Imbiss miteinander ins Gespräch kamen, war positiv. Auch Landrat Matthias Groote und Andrea Sope vom Amt für Digitalisierung und Wirtschaft sowie Bürgermeister Claus-Peter Horst und Elke Hinrichs von der Wirtschaftsförderung der Stadt Leer werteten den ersten Unternehmerabend als Erfolg. Etwa in einem halben Jahr wolle man einen weiteren Dialog in dieser Form folgen lassen, kündigte der Bürgermeister in seinem Schlusswort an.