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Pressemitteilungen

19.06.2023

Bewegender Auftritt: 200 Besucher erlebten Albrecht Weinberg

Es war ein bewegender Auftritt eines der letzten noch lebenden Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt haben: „Ihr müsst aufpassen, dass so etwas nie wieder passiert. Macht den Mund auf!“, sagte der 98-jährige Albrecht Weinberg am Donnerstagabend nach seinem Vortrag vor rund 200 Gästen im Rathaus von Leer.

Der 1925 in Westrhauderfehn geborene Weinberg war vom Heimatverein Leer eingeladen worden. Mit Unterstützung von Gerda Dänekas, mit der er seit drei Jahren in einer Senioren-WG in Leer lebt, erzählte er seine Geschichte und die Geschichte seiner jüdischen Familie, die fast vollständig von den Nazis ausgelöscht wurde.

Schon als Elfjähriger hatte er in seinem Heimatort erleben müssen, wie ihm als Jude der Besuch der Volksschule verboten wurde. Er habe sich durch den zunehmenden Hass so gefühlt wie „im Schraubstock eingeklemmt“. Von Tag zu Tag sei eine weitere Umdrehung hinzugekommen, „bis man sich nicht mehr bewegen konnte“. Weinberg, der später bei seiner Tante in Leer untergekommen war und für etwa zwei Jahre die Jüdische Schule besuchen konnte, schilderte unter anderem seine schrecklichen Erinnerungen an die Pogromnacht im November 1938, als seine Familie zum Viehhof in Leer getrieben und eingesperrt wurde. Was folgte war ein jahrelanges Martyrium in mehreren Konzentrationslagern. „Wir waren alle abgeordnet zum Sterben“, berichtete er. Man sei an den Tod gewöhnt gewesen, da man tagtäglich davon umgeben gewesen sei. Doch Weinberg selbst überlebte – sogar drei sogenannte Todesmärsche.

Nach der Befreiung traf Weinberg nach dem Krieg seine Schwester Friedel wieder. Beide emigrierten 1947 nach Amerika, bauten sich in New York eine neue Existenz auf. „Langsam, aber sicher fühlten wir uns wieder wie Menschen“, sagte der 98-Jährige. „Wir waren uns sicher, niemals wieder nach Deutschland zurückkehren zu wollen“, so Weinberg. Doch das sollte sich ändern, als die Geschwister mit anderen jüdischen Familien, die ihren Ursprung in Leer hatten, 1985 eine Einladung der Stadt Leer bekamen und erstmals wieder ihre Heimat besuchten. 2012 kehrten Albrecht und Friedel Weinberg tatsächlich wieder zurück. Friedel starb nur kurze Zeit später. Ihr Bruder ist seitdem unermüdlich im Einsatz, um sich - wie am Donnerstag - für die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu engagieren. Auch für ihn ist das ein großes Glück. Dass ihm das noch passieren würde, sei wie ein Traum, sagte der 98-Jährige, für den solche Auftritte zusehends kräftezehrender werden. „Die Beine wollen nicht mehr“, bedauerte er. Das Publikum, in dem sehr viele junge Leute vertreten waren, dankte ihm mit einem lang anhaltenden Applaus, einige Gäste richteten zudem persönliche Dankesworte an Albrecht Weinberg.