Typisch ostfriesisch....
Ostfriesen sind nicht der Meinung, dass es den „typischen“ Ostfriesen gibt.
Ganz entgegen den Erwartungen unserer Gäste, die sich womöglich unter Ostfriesland ein mehr oder weniger obskures Urlaubsziel mit mehr oder weniger obskuren Bewohnern vorstellen möchten.
Vielleicht stellt sich sogar Enttäuschung ein, wenn sie weder in Stadt noch Land verschroben aussehende Menschen mit Südwester auf dem breiten Schädel, eingemummt in Ostfriesennerz (an schlechten Tagen) oder blau – weiß gestreiften Fischerhemden (an guten Tagen) zu sehen bekommen.
Nein, im Gegenteil, die Ostfriesen sind aufgeschlossene, moderne Menschen, die in modernen Städten mit Fußgängerzonen leben und sogar Hochdeutsch reden. Traurig aber wahr, den „typischen“ Ostfriesen gibt es nicht – wohl aber Traditionen, Eigenarten, Rezepte, Feste, und – das geben wir zu – die typische ostfriesische Landschaft.
Flach! Gehen wir einfach einmal ins Detail:
Ostfriesland und Tradition
Ostfriesische Traditionen gibt es in vielerlei Erscheinungsformen.
Sie werden liebevoll gepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben. Kopfschüttelnd nimmt man in Ostfriesland beispielsweise Verfälschungen, Minimierungen oder Nachgemachtes zur Kenntnis, die sich sogar in Bereiche eingeschlichen haben wie dem Teetrinken. Das Teetrinken, des Ostfriesen liebstes Kind, beinhaltet nämlich nicht nur den Vorgang des Teetrinkens im eigentlichen Sinne zum bloßen Durstlöschen vermittels Tee; das ostfriesische Teetrinken ist eine Philosophie. Welchen Stilbruch stellt also ein profaner Becher Tee auf die Schnelle dar, abgeflacht im Aroma mit schnöder H-Milch und das in großer Eile getrunken für einen ostfriesischen Tee- Puristen! Unsitten, wie der Genuss mehrerer Tassen Tee über die dem Genießer gebührenden drei hinaus (dree is Oostfresen Recht) oder gar das hektische Durcheinanderrühren von Kluntje und Sahne, sind während einer honorigen Teezeremonie undenkbar.
Undenkbar auch, dass das ostfriesische schlichte „Moin!“ ausgewalzt wird auf ein „Moin, Moin!“, das in Ostfriesland nicht gesagt wird, weil es 1. keinen Sinn gibt und 2. in Geschwätz ausarten würde. Das „Moin“, bis heute als Begrüßungsformel morgens, mittags und abends im hohen Nordwesten gebräuchlich, heißt nichts anderes als „en mojen Dag“ oder „en mojen Middag“ oder „en mojen Mörgen“ und so weiter. Der Einfachheit halber hat man mit den Jahren die genaue Tageszeit einfach weggelassen und sich auf „en mojen“, also „Moin!“ beschränkt. „Moin, Moin“ wäre demnach 1. und 2., nämlich sinnloses Geschwätz, weil man sich auch im Hochdeutschen keinen „schönen, schönen Tag“ wünscht.
Also liebe Urlauber, wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie nachmittags von den „eingeborenen“ Ostfriesen mit einem freundlich dahingeworfenen „Moin!“ gegrüßt werden (im übrigen wird jeder gegrüßt, auch Fremde). Sie müssen dann nicht mit einem unsicheren „Morgen!“ antworten, denn der war nicht gemeint!
Ostfriesland ist Urlaubsland
Magisch entfaltet sich ihm die Anziehungskraft unserer meerumsäumten Gestade. Smaragdgrüne Inselketten im blauen Meer, die mit samtenen Stränden locken. Sand und Muschelkalk umschmeicheln den wandernden Fuß, sanfter Wellenfluss umspielt von Kinderhand erbaute Sandburgen.
Soviel zu unseren Träumen – aber auch mit dem besagten Südwester, Gummistiefeln und Ostfriesennerz ausgerüstet (Ostfrieslandreisende tragen diese markante Kleidung gerne), bleibt die frohe Urlaubsstimmung ungebrochen. Gemäß der Devise: Es gibt kein schlechtes Wetter – nur falsche Kleidung – dürfte sich der Gast in zünftiger Atmosphäre mit ostfriesischen kulinarischen Köstlichkeiten trösten lassen. Davon gibt es reichlich und lecker sind sie auch!
Zahlreiche Museen, schmucke Städte und Dörfer, von Kanälen und Flussläufen durchdrungenes Idyll entschädigen den Erholungssuchenden für manchen Traum, der eventuell unerfüllt bleibt (Palmen gibt es hier wirklich nicht, auch keine Kamele und Krokodile).
Der Ostfriese an sich ist nicht abergläubisch
Überhaupt nicht!
Aber da man ja nie wissen kann…, gibt es von Alters her ein großes Repertoire an weisen Sprüchen, denen manchmal auch heute noch Glauben geschenkt wird. Die Feststellung: „Wi kriegen vandage noch Visite, de Katte putzt sük“, ist durchaus ernst gemeint und zieht nicht selten einen kleinen Hausputz nach sich. Auch weiß man hier um bedeutungsträchtige Tage. So weiß in Ostfriesland jedes Kind, dass zum Mondwechsel die Witterung umschlägt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das kann ärgerlich enden, wenn die Arbeit im heiß geliebten Hausgarten darunter zu leiden hat.
Der ostfriesische Hausgarten zeichnet sich denn auch dadurch aus, dass er neben dem aufgeräumten reinen Nutzgarten einen noch aufgeräumteren Ziergarten aufzuweisen hat. Die damit verbundene Baumfeindlichkeit kennzeichnet weite Teile Ostfrieslands. Es ist nicht so, dass hier keine Bäume wachsen wollen, liebe Gäste, sie dürfen es nicht! Der ostfriesische Ordnungssinn reagiert allergisch auf herabfallende Blätter, Blüten und Äste, die gerne in „Grünabfallsäcke“ gepackt und an die Straße gestellt werden.
Endlos könnte diese Reihe fortgeführt werden, wenn es um liebevolle Eigenarten und Traditionen geht. Nur „typisch ostfriesisch“ ist für ein freiheitsliebendes Völkchen wie den freien Friesen zu eng gefasst.
Unsere Geschichte beweist es: Immer schon war der Ostfriese weltoffen, hinschauend und flexibel.
Und in Leer, „dem Tor Ostfrieslands“ erst recht!