400 Jahre Tee in Leer?
Wenn wir ein 400jähriges Tee-Jubiläum ganz allgemein feiern wollen, dürfte dem nichts entgegen stehen. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Teegenuss auch schon vor 400 Jahren Freunde in Ostfriesland fand.
Zwar brachten die Niederländer schon im Jahre 1610 chinesischen Tee mit bewaffneten Handelsschiffen der Ostindischen Kompanie nach Europa, doch hatte beispielsweise Jan Snyder, der als erster Teekaufmann in den Niederlanden zählte, zuerst allergrößte Schwierigkeiten, seine mitgebrachte Ladung grünen Tees zu verkaufen . So beförderte er die Kisten weiter nach England, doch auch dort blieb er auf seiner Ware sitzen. Dennoch folgten dieser ersten Teeladung weitere.
Am 2. Januar 1637 gab die Ostindische Kompanie Befehl an alle Schiffe, Tee mitzubringen. Und siehe da, die Europäer kamen dermaßen auf den Teegeschmack, dass der Reichtum, der aus dem Seehandel herrührte, Holland das sogenannte "goldene 17. Jahrhundert" brachte. Zugegeben – nicht nur durch den Teehandel.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte sich das Teetrinken in allen Bevölkerungsschichten breit gemacht. Und das war auch gut so, denn bevor es den Tee in Ostfriesland gab, lebten die Ostfriesen hauptsächlich von Bier. Und das in allen Varianten: Bier, Warmbier mit Honig oder Eiern und sogar Biersuppe.
Ab wann in Leer Tee zu den „Krüdenierswaaren“ gehörte, kann aufgrund fehlender Nennung des speziellen Warenartikels „Tee“ in den Leeraner Waageprotokollen nicht nachgewiesen werden.
In der Chronik von Petrus Westermann (Chronik der reformierten Kirchengemeinde in Leer, abgeschlossen am 1. Juni 1918, übertragen aus dem handschriftlichen Originaltext von
Günther Robra in den Jahren 1999 und 2000) ist nachzulesen, dass für das Waagegeld besondere Tarife in den sogenannten Waagerollen festgesetzt waren.
Die älteste Waagerolle stammt vom 8. März aus dem Jahre 1549. Die 2. Waagerolle, aus dem Jahre 1618 stammend, musste bereits im Jahre 1629 unterm 24. April einer Änderung unterzogen werden. Eigentlich wurde diese Änderung notwendig wegen der schlechten Münzen, die im 30-jährigen Kriege geprägt wurden. Im allgemeinen wurde in dieser Rolle alles, was über 50 lb. wog, für waagepflichtig erklärt.
Den folgenden Waagerollen gingen lange Streitigkeiten zwischen Kaufmannschaft und Kirchenrat voran. Aus dem Inhalt einer auf das Jahr 1746 datierten Rolle geht beispielsweise hervor, dass ein Schiffer namens Ahlrich Harms aus Barßel wegen nicht bezahlten Waagegeldes von einigen Fässern Tabak arretiert wurde, obgleich er mit seiner Ware nur in Leer vor Anker lag. Solche Strafen beruhten darauf, dass die Kaufleute aus der im Jahre 1665 aufgesetzten Aufführung der waagepflichtigen Waren folgerten, dass nur inländische, aber nicht ausländische Produkte waagepflichtig seien.
Demnach waren die sogenannten Kräuterwaren „Krüdenierswaren“ wie Tee, Zucker, Tabak etc. nicht in der Rolle verzeichnet und darum auch nicht waagepflichtig. Der Kirchenrat dagegen machte geltend, dass man diese letzteren Waren nur darum nicht anführte, weil sie nicht so gangbar waren. Ergo ist es durchaus möglich, dass auch in Ostfriesland der Tee bereits von 400 Jahren eingeführt wurde, was aber aufgrund der nicht aufgeführten ausländischen Waren in den Waageprotokollen für Leer nicht nachvollzogen werden kann.
Allerdings werden sich die Ostfriesen eher zaghaft dem braunen Heißgetränk geöffnet haben, denn die Ostfriesen liebten ihr Bier und lebten wahrscheinlich schon damals nach dem Motto: „wat Buur neet kennt, dat frett he neet“. Also werden auch die Leeraner wohl nicht zu den Teetrinker-Pionieren gehört haben.
Spätestens im 18. Jahrhundert hatte auch in der Ledastadt die Teestunde ihren Stellenwert gefunden, wie wir bei dem Leeraner Chronisten Wessel Onken in makaberer Weise nachlesen können. Er berichtet vom Tod des Pastors Joh. Relotius aus Leer beim Teetrinken im Jahre 1751:
„Ein jäher Tod machte seinem Leben plötzlich ein Ende. Bei seinem Schwiegersohn J. Wreeseman … zu Tische eingeladen, sank er, die Augen starr auf den im Wohnzimmer befindlichen Papagei gerichtet haltend, während des Theetrinkens tötlich vom Schlage getroffen zu Boden…“
Eine der frühesten Quellen in Leer, die im direkten Zusammenhang mit dem Genussmittel Tee steht.