Chronik des Gallimarktes
Dort heißt es, dass noch zwei Märkte in Ostfriesland nötig sind, einer zu Leer auf Galli und der andere zu Weener auf Bartholomei. Dieser Tag "Galli" ist der 16. Oktober. Der Name rührt von dem irischen Missionar und Heiligen Gallus her, der am 16. Oktober 640 n. Chr. starb.
Dieser Tag wurde von Edzard I. mit Absicht gewählt, da bis zum St. Gallus-Tag die Ernte eingebracht und die Tiere im Stall untergebracht wurden, denn ab St.-Gallus konnte Schnee fallen. Somit konnten alle Bauern, Knechte, Mägde, Händler etc. an diesem Tag in die Stadt gehen und einkaufen.
Ursprünglich fand der Gallimarkt an der Kaakspütte statt, und zwar von 1508 bis ca. 1570.
Zu diesem Zeitpunkt erlangten das Wasser und die Schiffahrt immer mehr Bedeutung, so dass der Flecken Leer sich an die Leda heran entwickelte. Auch der Handel, mit der Waage und dem Gallimarktplatz wurde an das "Hohe Ufer", den heutigen Waageplatz, verlegt. Dort blieb der Gallimarkt bis 1905. In der Zeit von 1885 bis 1905 musste aus Platzgründen oftmals der Denkmalplatz in der heutigen Fußgängerzone zusätzlich für den Gallimarkt genutzt werden. 1905 wurde der Gallimarkt dann hinter das Gymnasium auf die Große Bleiche verlegt, wo er auch heute noch stattfindet.
Der Gallimarkt war aber nicht der einzige Kram-Markt, den der Flecken Leer besaß. Wie aus einem Beschwerdebrief von 1670 an den Fürsten in Aurich hervorgeht, besaß Leer damals drei Märkte. Einen Markt dreieinhalb Wochen vor Ostern, den Kreuzmarkt am 20. September, später Anfang September, und den Gallimarkt am 16. Oktober. In dem Beschwerdebrief geht es darum, dass der Gallimarkt des öfteren auf einen Sonntag fiel und dadurch die Kirche nur gering besetzt war.
Bis ca. 1820 fand der Gallimarkt immer am St.-Gallus-Tag statt. Erst dann wurde er auf den Mittwoch nach St.-Gallus verlegt, weil er zu oft auf einen Feiertag fiel. Diese Regelung bestand aber nur bis 1902, denn dann wurde der Gallimarkt, so wie es heute noch üblich ist, auf den zweiten Mittwoch im Oktober verlegt. Diese Regelung wurde notwendig, da der Gallimarkt immer wieder mit dem Bremer Freimarkt kollidierte und somit die Händler und Besucher ausblieben.
Die Entwicklung von einem zu fünf Tagen dauerte ebenfalls sehr lange. Erst im 18. Jh. wurde der Gallimarkt auf drei Tage verlängert. Die nächste Verlängerung, auf vier Tage, dauerte bis 1906, ein Jahr vor der großen Jahrhundertfeier des Gallimarktes. Erst 1952 folgte dann die Verlängerung des Gallimarktes auf die heutigen fünf Tage.
Der Gallimarkt, der bis zur Mitte des 19. Jh. ein reiner Kram- und Viehmarkt war, hatte eine so große wirtschaftliche Bedeutung für Leer, dass es unmöglich war, ihn aus irgendwelchen Gründen zu verlegen, ausgenommen religiöse Gründe. Während die christl. Feiertage bereits seit ca. 1820 berücksichtigt wurden, geschah dies für die jüdischen Feiertage erst rund neunzig Jahre später, nämlich 1909, obwohl die Juden einen großen Teil der Krämer und Viehhändler stellten und diese an den Feiertagen ausblieben.
Die Trennung des Gallimarktes in den Gallimarkt und den Galli-Viehmarkt geschah ebenfalls ca. 1820. Der Galli-Viehmarkt fand seitdem an der Ecke Blinke/Pferdemarktstraße statt.
Die Märkte wurden bis 1864 durch Privatpersonen verwaltet und organisiert. Für die Verpachtung des Galli-Viehmarktes erhielt die Verwaltung einen Pachtzins von 420 Talern. Da dem Pächter wahrscheinlich Standgelder zuflossen, war dieser natürlich bestrebt, möglichst viele und gute Anbieter auf den Markt zu bekommen. Erst 1865 übernahm die Stadtverwaltung die Organisation dere Märkte.
Seinen Volksfestcharakter erhielt der Gallimarkt erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eingeleitet wurde diese Entwicklung 1860, als das erste Karussell auf dem Gallimarkt stand. Bereits einige Jahre später waren die Krämer und Kaufleute von dem Markt fast vollständig verschwunden und Karussells, Marktschreier, Musik, Museen, Flohzirkusse u.ä. prägten das neue Bild des Gallimarktes.
Während 1907 nur 21.000 Besucher über den Gallimarkt liefen, wurde bereits 1954 die 40.000. Besucherin gezählt.
Nachdem 1865 die Stadtverwaltung die Organisation der Märkte übernommen hatte, stiegen die Besucher- und Umschlagszahlen stetig in die Höhe. Beim Gallimarkt war ein Höhepunkt ca. 1907 erreicht, beim Galli-Viehmarkt allerdings erst in den 30er Jahren. Bereits 1913 zählte der Galli-Viehmarkt in Leer neben Husum zu dem wichtigsten Viehmarkt Preußens. 1924 war der Galli-Viehmarkt der bedeutendste Viehmarkt Deutschlands und noch 1941 war er der größte Viehmarkt in Deutschland, trotz rückläufiger Aufriebszahlen. Einen wesentlichen Teil trug dazu die von der Stadtverwaltung 1925 bis 1927 errichtete Viehhofanlage auf der Halbinsel Nesse bei.
1. Der Ausbau des alten Marktgebäudes
2. Die Verlegung der Märkte an den Burfehner Weg, außerhalb der Stadt
Letztendlich mussten aber beide Vorschläge aus veterinärpolizeilichen Gründen abgelehnt werden und die Idee, die Märkte auf der Halbinsel Nesse zu verlegen, entstand. Nach nur zwei Jahren Bauzeit war das Projekt vollendet. Das gesamte Gebiet, ca. 10 Hektar, musste dräniert und kanalisiert werden. Alle Gebäude wurden auf bis zu 10m langen Pfählen gegründet. Bei dem Bau, bei dem zeitweise mehrere hundert Arbeiter beschäftigt waren, wurden ca. 12 km Bahngleise und 2 km Straße verlegt. Der Kostenaufwand betrug ca. drei Millionen Mark. Im Zusammenhang mit diesen Bauarbeiten wurde auch die Klappbrücke zur Waage und zum Rathaus, die heutige "Dr.-vom-Bruch-Brücke", errichtet.
Die neue Viehmarktanlage, die am 02.03.1927 erstmals benutzt und am 15.06.1927 eingeweiht wurde, fasst ca. 6.000 - 7.000 Stück Großvieh und mehrere hundert Stück Kleinvieh.
Das alte Marktgebäude wurde ab November 1927 von der Fahr- und Reitschule genutzt.
Aufgrund der schlechten Auftriebszahlen und der allgemeinen Situation entschloss sich die Stadtverwaltung 1942, die Viehmarktanlage zu verkaufen. Als Käufer bot sich der Verein Ostfriesischer Stammviehzüchter (VOST) in Norden an. In einem Pachtvertrag wurde zusätzlich geregelt, dass die Stadtverwaltung gegen Zahlung einer Entschädigung weiterhin eigene Marktveranstaltungen durchführen darf.
Während des 2. Weltkrieges brach der Viehmarkt gänzlich zusammen. Erst 1948 fand wieder ein Viehmarkt statt, und zwar in Verbindung mit dem Gallimarkt. Am 15. März 1950 erließ die Stadtverwaltung eine Betriebsordnung für den Viehmarkt und am 29. April desselben Jahres wurde ein neuer Mietvertrag zwischen der Stadtverwaltung und der VOST abgeschlossen.
1951 kam es erneut zu einem Einbruch bei den Viemärkten, bedingt durch eine Maul- und Klauenseuche. Am 19. September 1951 wurden deshalb sämtliche Viehmärkte in Leer geschlossen. Aufgrund der Anstrengungen, die die Stadtverwaltung daraufhin unternahm, gelang es dennoch, den Galli-Viehmarkt abzuhalten. Der Galli-Viehmarkt musste aber um
14 Tage verschoben werden auf den 24. Oktober 1951 und fand somit erstmals nicht gleichzeitig mit dem Gallimarkt statt. Bedingt durch die Maul- und Klauenseuche erließ die Stadtverwaltung am 1. Dezember 1952 eine Seuchenstockverordnung und bereits 1953 konnten die Impfvorschriften aufgehoben werden.
Noch heute findet der Galli-Viehmarkt einen regen Zuspruch und wie in alten Zeiten wird auch heute noch der Kauf eines Tieres durch Handschlag getätigt.